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Wenn Don Quixote mordet und doch nicht fickt
12.01.2013
Wie jeder weiß, bergen lange Autofahrten sowohl die Möglichkeit, den Mitfahrern menschlich näherzukommen, als auch die Gefahr, sich allzu sehr zu öffnen und sich zu verplaudern. Ein Rumor schleicht sich zudem ein, wenn als dritter Fahrgast eine Leiche ihre stumme, aber gewissensschwere Präsenz behauptet. In einer Mischung aus Kammerspiel und Roadmovie wird in „Abgesoffen“ der Themenkette Reisen, Entdecken und Migration zu Leibe gerückt, der schaurige Aberwitz von Töten und Liebe mitinbegriffen. Bestreitet wird das mal intellektuelle, mal humoristische und banalisierende Spiel von zwei Killern sehr unterschiedlichen Charakters. Ein dürrer Choleriker ereifert sich im hektischen Theoretisieren, das von seinem Partner, einem molliger Phlegmatiker, und der Banalität des einfachen Mannes konterkariert wird. Der Intellekt wird zum einen als böse vorgeführt, wenn er die Liquidierung der Moros, der afrikanischen Immigranten, als Völkerrecht geltend machen will oder indem er manch gute Seite in Hitler erkennen will. Zum anderen zeigt sich etwas wie Güte, seine Verletzlichkeit, wie empfindsam, indem er vom Mysterium des Öffnens des schwarzen BHs seiner Ex-Geliebten nicht loskommt, vorgeführt. Seinem Killer-Partner, dem launigen Kleinbürger, bleibt da oft gegen die Schneid der Argumente nur, tölpelhaft „Aha“ zu sagen. Aber er ist es dennoch, der sozusagen lebt, während der andere zum Kretin eines Hirn-Wichsers mutiert. Wenn man einerseits den Welteroberer Alexander den Großen als den Größten der Geschichte feiert, andererseits in zwei heutigen Immigranten die Gefahr eines Überranntwerdens von 40 Millionen Moros an die Wand malt, ist es nicht verwunderlich, dass man in skrupelloser Doppelbödigkeit den weltumspannenden Ficker und den allwissenden Kenner der weiblichen Vagina heraushängen lässt, während man sich eigentlich am liebsten selbst einen herunterholt. Während in einer Pantomime gegen Ende des Stücks der dürre Systemmörder heftig gestikulierend argumentiert, zeigt der mollige Kumpel, der seine Opfer mit melancholischen Gefühlen in einem speziellen Bottich ertränkt, seine Lebenslust in Fick-Bewegungen. Daraus entsteht eine beinahe zu sympathische Art von ulkigem schwarzem Humor. Dazu gesellt sich rückblickend eine missglückte Liebesaffäre als Running Gag. Manchmal schrammt der facettenreichen, pointierte Dialog an Binsenweisheiten entlang, etwa, wenn festgestellt wird, dass hässliche Frauen beim Geschlechtsverkehr besser sind als Hübsche, müssen sie doch ihr optisches Defizit mit erotischer Vitalität ausgleichen. Mehr krude Rüpelhaftigkeit hätte der Glaubwürdigkeit der beiden Helden als Serien-Killer gutgetan. Gegen Schluss schwankt die Inszenierung von Sebastian Schug zwischen Steigerung der dramatischen Intensität und Happy End.
 

Die Rolle des mörderischen Intellektuellen fordert von Julius Feldmaier ein nervöses facettenreiches Spiel, das bis auf minimale Stolperer sehr gut gelingt. (Feldmaier erinnert u. a. mit seinen rotgeränderten Augen an den amerikanischen Schauspieler Steve Buscemi, der im Film „Vargo“ auch einem unsicheren, intelligenten Mörder krauses Leben einhaucht.) Florian Köhler hat da mit seinem behäbigen Auftreten im Jogging-Anzug den scheinbar einfacheren Part. Beide Akteure bringen eine dynamische Körperlichkeit in das ansonsten spartanische Bühnenbild.  

Interessant wäre es zu wissen, inwiefern sich Frauen von dem Dialog denken, aha, so ein Gequatsche ist das also, wenn Männer unter sich über Gott und die Welt, vor allem aber über die Liebe und die Frauen reden. Das Publikum applaudierte für das kurzweilige, treffsichere Dialog-Ping-Pong auf dem Spieltisch der politischen Gewalt heftig. Es lagen sogar stehende Ovationen in der Luft.  

Walter Hoch

Fotos: Lupi Spuma
 

die-frau.at