Das Leben ein Fest > Zu sehen
Familiäre Problem-Kuvertüre gecovert mit einer Modeproduktion
30.12.2011

 

„Froschfotzenlederfabrik“ – bereits der Titel sorgt für reichlich Neugier. Allerdings verspricht das Theaterstück, im Burgtheater Wien im Dezember uraufgeführt wurde, nicht das, was ich als Zuschauer mit eigenen Augen gesehen und wahrgenommen habe. Die Darstellung der „Schmutzwäsche“ aus der Froschfotzenlederfabrik, deren Direktor der Vater zweier Töchter ist,  läuft an einem vorbei. Denn im Hauptaugenmerk steht eine tragische Familiengeschichte, die mag etwas außergewöhnlich oder zu übertrieben vorkommen, ist jedoch eher eine Realität, die nicht mehr „out“ in der Gesellschaft ist. Es ist eine Familiengeschichte, von der man so oft in den Zeitungen liest: Wie erst gestern in der „Heute“ schwarz auf weiß zwei Benachrichtigungen gestanden sind, die einen baff machen. Als Erstes eine Mutter die ihr 7-jähriges Kind nach der Trennung mit dessen Vater umgebracht hat. So viel zu den Kindern die für eine Beziehung, weil es einfach nur dazu gehört, geboren werden. Als Zweites der Bericht über eine Milliardärin die besachwaltet wurde und nach Geld fürs Essen betteln muss. In dem Stück „Froschfotzenlederfabrik“ von Oliver Kluck, fallen die Tatsachen eines familiären Zerfalls und einer falschen Einstellung einem gleich ins Auge. Die saufende Mutter, die eigentlich keine Kinder haben wollte und schon gar nicht Hausfrau sein wollte. Als Ergebnis: Die Kinder fühlen sich als Fehler der Natur, so, als hätten sie gar nicht auf die Welt kommen sollen. Beide schon erwachsene Frauen, wären lieber als Mann auf die Welt gekommen. Mit einer jammernden und mit ihrem Leben unzufriedenen Mutter aufgewachsen,  wird die eine Tochter zu einer Pornodarstellerin, erhält sich durch unterschiedliche Gelegenheitsjobs, die in die gleiche Richtung der körperlichen oder mentalen Prostitution gehen. Trotz aller Natur wird jedoch die ganze „Schmutzwäsche“ einer nicht funktionierenden Familie, auf die Produktion der Nazi-Kleidung abgeschoben. Der böse rassistische „Vati“ wurde zum Schuldtragenden gemacht. Eines ist ihm jedoch anzuhängen: angeblich wurde zumindest eine der Töchter von ihm misshandelt.

Durch viel Körpereinsatz, nackte Szenen, die Show an der Stange, mehrfachen Anmachungsversuchen, sollte sich eigentlich eine total geile Situation ereignen. Es ergibt sich jedoch kein „Steifer“ bei den Darstellern, was die Hauptdarstellerin (Alexandra Henkel) mehrfach feststellt, dies aber ohne eindeutiges Bedauern, denn diese Tatsache wurde ihr zu einem Dauerzustand. Nicht einmal ihr Einreden mit „Entspann dich“ konnte die „Schlappheit“ beseitigen. Anzumerken ist, dass die weiblichen Repräsentanten aufmerksamer waren und sich ins Spiel mit mehr Körpereinsatz involviert haben, als die Männer. Jene drehten sich eher nach einigen Minuten verspannt weg. Wohl aus der Angst eine weitere Diskussion mit der Freundin angehen zu müssen. Einzig und allein das Pärchen neben der „Bühne“ mit der Stange blieb modern und cool. Die Partnerin ließ sich nicht durch  das bedeutungslose und eher kindliche Streicheln des Kopfes beeindrucken und beide hatten ein fröhliches Lächeln.

Zurück zur Mutter. Diese wurde „liebevoll“ in ein Krankenhaus abgeschoben, wo sie sterben sollte, was wiederum ein gebräuchliches Szenario ist. Das Krankenhaus selbst pflegt ein Geheimnis, das eigentlich offen, jedoch von keinem akzeptiert werden will: Die Patienten wollen ja gar nicht gesund werden. Was sie aber von jedem Arzt erwarten, ist: Er soll all ihre vermuteten Krankheiten bestätigen.

Im Allgemeinen blieb die Stimmung im Saal, aufgeteilt in Stuhlreihen und  einzelne runde Tische, wo unterschiedliche Zuschauer zusammengekommen sind, entspannt und  positiv.

Das Bühnenbild, gemacht von Katrin Nottrodt, schien sich überall, nicht zuletzt im Zuschauersaal, zu befinden. Die Abwechslung zum Schauspiel wurde durch die Projektion des Bildes der Darstellung auf die großen Wände neben der Bühne, parallele Fotografie, Tanz und Gesang, als auch das Teilnehmen der Zuschauer an der  Hochzeit, indem diesen Tortenstücke zum Kosten ausgeteilt wurden, verschafft. Moderne Tussi-Kleidung und Trachtenanzüge verschafften einen perfekten Look auf der Bühne.     

Den Schnitt macht die Szene mit den Ausländern, die nach ihrer Lebensgeschichte ausgefragt wurden, was ich für das Thema und die tatsächliche Konklusion des Stückes eingestuft habe. Meine Annahme war dann: Es wurde uns die schwere und undemokratische Lage der Ausländer in Österreich vermittelt. Als Ergebnis: Diese verrutschen in den Abgrund, halten sich mit den erniedrigenden Gelegenheitsjobs überm Wasser oder sind einfach nur mit Nichtstun beschäftigt.
 

Wer Fan ausgelesener Art und Weise und eines Feuerwerks aus multikulti Inszenierungen ist, kann sich bis zum 07. Jänner 2012 im Burgtheater blicken lassen.


Varvara Shcherbak

 


die-frau.at