Das Leben ein Fest > Zu sehen
Blumen für die Männer, Dekoration - die Frauen
26.09.2011

Die Herbstsaison kurbelt an mit den neuen Herbstkollektionen (ganz oben scheint der Name von Lena Hoschek auf, die sich vor die Mode der anderen unter denen, die sich „nichts außergewöhnliches leisten können“ beliebten „Bekleidungskonglomeraten“ wie H&M, Zara, Benetton, durchdrängt.), Unis und Schule nehmen wieder ihren Lauf und man trifft immer wieder öfter  Studenten in den Cafehäusern und den Bibliotheken, nervös die Fingernägel beißend vor den Prüfungswochen… Die Wiener Kammerspiele wollen sich nicht hinten rum schleichen und präsentieren zur Eröffnung des neuen Vorstellungsjahres nein, kein Theaterstück. Mit den weiteren Perspektiven wird der Schwerpunkt auf das Allroundtalent gelegt und somit die Theatersaison in den Kammerspielen (Theater in der Josefstadt Wien) auf Schauspiel, Tanz und Gesang (all-in-one) in einem Musical eröffnet. Der Titel die Resonanz an die Mitte 20. Jahrhunderts , zurückspulend in die Zeiten, als sich der gute alte Stummfilm mit „kein Fleisch, kein Blut, nur Geister“ gefüllten Leinwand in eine anregende und bewegende Szene verwandelt, wo Gefühl und Emotionen nun mal mit den Worten ausgedrückt werden. Und ganz zentral das Lied, das keinem aus dem Kopf geht und alle von den Sitzen reißt, alle motiviert sich in den Rhythmus der Musik unter den künstlich erzeugten prallen Regentropfen hinein zu schwingen. „I'm singing in the rain, Just singing in the rain.What a glorious feelin'. I'm happy again...”

Charmant, witzig und gefühlvoll ist die Premiere von dem recycelten Filmfuror, durch den Regisseur Werner Sobotka nach Wien geschwungen.  Nur Achtung: keine Vergleiche mit dem Film sind gestattet. Jede Anpassung oder Versuch der Vergleichs- bzw. Unterschiedsausgrenzung wird durch rechtliche Wege zurechtgerückt. Witze vorweg.., jedoch eines steht fest: Regisseur Sobotka hat die Geschichte klipp und klar recycelt, was zu einer Geburt einer neuen besonderen und daher eigenartigen Produktion geführt hat.

Jede Medaille hat zwei Seiten - und somit war der ganze Aufwand rund um die Proben, Vorbereitungen, Vorstellung, etc. eine richtige Herausforderung für alle, die sich jedoch, wie man es gestern durch den ausgiebigen Beifall und viele Fans bestätigt gesehen hat, gelohnt hat.

Die Suche nach dem perfekten Ensemble (da der Hauseigene durch die „feuchte“ Szene im Film nicht stundelang blockiert werden dürfte), 150 Kostüme!,  das sich aufklappende und aus mehreren Teilen zusammengestelltes Bühnenbild, prunkvoll und dann wieder etwas zurückhaltender werdend, perfekt angepasst an die Emotion, Musik, Gesang und den schwingenden Tanz, zusammengestellt durch den alten guten Bekannten aus der beliebten Werbung („Frag doch den Inder!“). „After Shooting the „Good Morning“ routine Reynolds feets were bleeding. Years after she was quoted as saying that making this film and surviving childbirth were the two most difficult experiences of her life”, liest man über die Erfahrungen mit dem Shoot von dem Film. (Wikipedia.org)


“Ich finde es toll und innovativ, dass ihr Österreicher zwei Farbige im Fernsehen habt, die Arabella Kiesbauer und mich. Da habt ihr ein Türchen aufgemacht.“ Und „Privat bin ich solo, aber als Werbefigur konnte ich mir eine Partnerin gut vorstellen“, liest man auf der Homepage von Ramesh Nair die Ausschnitte aus dem Sonntagskurier. Im Step-Dance- Duett mit dem Darsteller von Don Lockwood (Gainess Hall) konnte man jedoch nicht wiederstehen, ihn mit einem Dauerapplaus zu beschenken. Immerhin singt Lina Lamont (Jennifer Kossina) „…Was ist los mit ihm? Vielleicht ist er schwul?“ in ihrem „entzückenden“ Lied über ihre vergeblich eingebildete Liebe zum Don. Und nicht zuletzt bekommen ausgerechnet die beiden männlichen Hauptrollen (Cosmo und Donn) die Blumen beim Endverbeugen. Immerhin, 20. Jahrhundert – Männer kriegen Blumen, Beifall; Frauen…

Scherze vorab, mal wieder ernst.  Ab Dezember wird Ramesh Nair in der Volksoper Wien (Regie wieder mal Werner Sobotka) in dem Musical „Die spinnen die Römer“ beschäftigt.

Frauen…

Von Lina Lamont (Jennifer Kossina) konnte man auch kaum Blicke und Gefühle fernhalten, na ja, vielleicht, doch die Ohren. Mit ihrer quietschenden, unattraktiven Stimme sammelte sie keine Pluspunkte, sorgte jedoch produktiv dafür, dass die Bäuche im Saal im regelmäßigen Takt zum Wackeln kommen. Imposant, attraktiv, außergewöhnlich, strohdumm jedoch mit einem Hauch sehr bedachter Boshaftigkeit.

In der Pause stellte ich den Kindern (da ich unter anderem in Begleitung von vier Kindern war) die Frage, welche Rolle ist denn schwieriger zu spielen: eine wie die von Kathy (unschuldig, normal, einfach einfach) oder Lina (ein Teufel auf der Erde)?

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Die von Lina. Immerhin schien sie auch kein eindeutiger Antiheld zu sein.

Jedoch könnte Lina Lamont in der Realität überleben? Eine Zuschauerin pflichtet bei, es sei denn sehr gewöhnlich, dass hinter einem kindlich unschuldigem und netten Gesicht einer Frau ein Vamp ohne Gefühle, mit einer quietschenden, vertuschten Stimme und, die Links und Rechts alle mit „Scheiße“ und „du gehst mir auf den Keks“ beschenkt, versteckt. Jedoch verdirbt ein verfaulter Apfel nicht den ganzen Baum? Welchen Nutzen hat das schöne Gesicht in der vor lauter Talenten zischenden Kinoküche?  Und was hält man von einer Frau, die ihre Karrierechance einem Mann zuliebe aufopfert?

„Ich würde dir gerne was sagen“, spricht Don zu Kathy in einer Musical-Szene.  „Das kann ich aber nur, wenn eine bestimmte Ausstattung da ist“. So erkennt man den Film im Film. Theater der Gefühle: auf der Bühne, im Leben, die Emotionen, die ohne eine geeignete Ausstattung nicht zum Ausdruck kommen.

Ein Spiel voller Liebe zur Bühne, die nichts von den sinnlosen Anspielungen aus Hollywood hält. Die Figur von Lina könnte für alle als Denkanstoß dienen, ob man als dumme vulgäre Nuss in der Gesellschaft gut ankommt.  

Da die Premiere eher ein Gesamtpaket als Einzelverpackung ist, sollte man auch die hohe künstlerische Mode unter den Zuschauern benennen. Indem einige an der Show Mitbeteiligten noch rasch ihre Outfits auf Hochglanz brachten, zeigten so manche Zuschauer mit großem Abstand, dass sie nicht so genau wissen oder nicht so genau zu schätzen wissen, dass das Theater nicht nur der Schauraum ist, sondern auch ein kultureller Ort. Nach dem Motto „auf andere schauen und sich selbst zeigen“ traten viele in den perfekten Abendroben auf, wobei die anderen sich mit der Abwesenheit jedes Geschmacks (oder durch die Verwechslung des Theaters mit dem Strand und der Aufführung mit dem Basketballmatch) zeigten.

Premiere: 22. September 2011, Kammerspiele

Varvara S.


Fotos: Rita Newman, VS   
 

 

die-frau.at