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Finanzminister als Steuerhinterzieher
29.01.2011
Nein, wir leben nicht im ehemaligen Ostblock, wo Korruption und Steuerhinterziehung durch ranghohe Persönlichkeiten Gang und Gäbe sind. Wir leben in einer Demokratie, in der angeblich Recht und Gesetz walten. Trotzdem wundert es nicht, zu hören, dass der ehemalige österreichische Finanzminister Grasser Steuern hinterzogen hat. Ein Armutszeugnis für Österreich oder der Beweis, dass Demokratie nur eine scheinheilige Konstruktion ist, die Bürger entmündigt und Politikern Narrenfreiheit gibt?

Grassers Selbstanzeige

Der ehemalige Finanzminister, Sunnyboy Karl Heinz Grasser, soll zwischen 2002 und 2008 Spekulationsgewinne nicht versteuert haben. Im Herbst 2010 erstattete er Selbstanzeige und bezahlte die 18.000 Euro, um die es angeblich ging, sofort. Die Selbstanzeige hat strafbefreiende Wirkung. Was jedoch vor 2002 geschah, gilt als verjährt. Wie viel also tatsächlich von KHG am Fiskus vorbeigeschleust wurde, ist nicht bekannt. Die Summe von 18.000 Euro, mit der er sich freigekauft hat, klingt mehr als lächerlich – ein Taschengeld für seine Verhältnisse.

Paradox und scheinheilig

Nun da offensichtlich ist, dass der ehemalige Steuereintreiber Nummer Eins selbst Steuern hinterzogen hat, sollte es doch einen Aufschrei aus der Bevölkerung geben – Proteste, Demos, Unterschriftensammlungen etc. Doch es passiert nichts. Wenn man sich umfragt, so hört man immer wieder dasselbe: „War ja klar, dass der Dreck am Stecken hat“, „Alle in der Politik sind kriminell“, „Diese Scheinheiligkeit ist zum Kotzen“. Dass Grasser sicher nicht der einzige Politiker mit unreiner Weste ist, bezweifelt niemand. Trotzdem hat die Regierung noch immer die Freiheit, die Rechte der Bürger zu beschneiden und paradoxe Gesetze zu erlassen. Wie jüngst das Beispiel der Aufnahme der UN-Kinderrechtskonvention in die Verfassung zeigte: Kinderrechte ja, aber nicht für die Kinder von Asylwerbern.

Kleinverdiener zahlen, Großverdiener haben Stiftungen

Obwohl Grassers Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung hat, wurde ein Finanzstrafverfahren gegen ihn eingeleitet. Hier geht es jedoch nicht um die hinterzogenen 18.000 Euro, sondern um die Prüfung seiner undurchsichtigen Stiftungskonstruktionen in Liechtenstein. Der Otto-Normal-Bürger weiß gerade einmal, wie man „Stiftung“ schreibt, doch Steuererleichterungen und Schlupflöcher dieser Art bleiben ihm verwehrt. Wenn man von einem durchschnittlichen Bruttogehalt von 2000 Euro ausgeht, so werden knapp 230 Euro davon als Lohnsteuer abgezogen – fast 12 Prozent. Was einem am Ende als Netto-Jahresgehalt bleibt, ist die Summe, die der Finanzminister als Taschengeld übrig hat.

Foto: Neumayr

(mf)


die-frau.at