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Hat eine Frau als Mutter immer noch die freie Wahl?
25.11.2013
Katrin Stockmann, eine Kurärztin, macht eine Entdeckung - die Heilquelle der Stadt ist eigentlich eine Seuchenquelle. Überzeugt davon, dass nur die Wahrheit zählt, will sie, unterstützt von den wichtigen Vertretern des Bürgerturms, mit ihrer Entdeckung an die Öffentlichkeit gehen. Doch die Sache nimmt schnell eine Wende, nachdem die mutigen Unterstützer vom Bürgermeister darüber aufgeklärt werden, dass diese Wahrheit eine zweite Seite hat. Nämlich, dass das Kurbad zugesperrt werden müsste, damit man die neuen Leitungen legt. Um dies finanziell zu bewerkstelligen, müsste ein weiterer Kredit von der Stadt aufgenommen werden. Die Wahrheit verliert somit für die Bürger an Wichtigkeit, denn jeder stellt sein Wohl über alles. Da Katrin Stockmann nach wie vor darauf beharrt, dem Volk die Wahrheit zu sagen, wird sie nach der Mehrheitsmeinung zum Volksfeind.

Im Zentrum der Streitigkeiten steht eine Frau, die Kurärztin Katrin Stockmann. Am Ende stehen ihr nur noch ihr Ehemann, ihre Tochter und zwei Söhne bei. „Ich habe eine neue Entdeckung gemacht: der stärkste Mensch auf der Welt ist der, der ganz alleine da steht“ ist der letzte Satz im Stück „Ein Volksfeind“.

Die Würze der Inszenierung von Christine Eder liegt darin, dass der Volksfeind eine Frau ist. Eine Frau, die verheiratet ist und eine erwachsene Tochter und zwei Schulbuben hat. Sie hat Verantwortung für die Familie zu tragen und muss den für die Familie finanziell und politisch sicheren Weg gehen. Katrin ist eine emanzipierte Frau, eine starke Frau, eine richtige Mutter für ihre Kinder, die sich um deren Zukunft sorgt. Mit der Konfrontation von Katrin, die eine Mutter ist, stellt Christine Eder die Frage zur Diskussion: hat man als Mutter das Recht auf freie Meinungsäußerung? Oder muss man als Mutter aus Pflicht gegenüber den Kindern sich der Mehrheit fügen? Was bringt man in diesem Fall den eigenen Kindern bei?

Katrin Stockmann ist eine starke Mutter, die das Beste für ihre Kinder will. Sie zeigt, dass man im Leben nie aufgeben soll und immer für sich kämpfen muss. Nur so kann man den eigenen Kindern eine sichere Zukunft gewährleisten und sie zu anständigen Persönlichkeiten machen.

Man könnte sich keine bessere Besetzung für die Rolle von Katrin Stockmann als Birgit Stöger vorstellen. Stark und überwältigend emotional stellt sie brillant die innere Welt einer Mutter, die durch die Mehrheit gedrängt wird, gegen ihre Überzeugungen zu leben, dar. An ihrer Seite spielen Frank Solar (Aslaksen, Druckereibesitzer), Thomas Frank (Peter Stockmann, Katrins Bruder, Bürgermeister, der uns bereits bei der Premiere von „Amphitryon“ aufgefallen ist) und Florian Köhler (Tomas, Katrins Mann).

Das Bühnenbild, bestehend aus einer Wand mit zahlreichen Türen, die sich in der finalen Szene auf Katrin zubewegt. Diese symbolisiert die Mehrheit, die Katrin keine Wahl lässt und sich in der finalen Szene an die Kurärztin drängt, als ob sie sie zerschmettern, zerstören will. Frau Stockmann gibt jedoch nicht nach.

„Ein Volksfeind“ grenzt sich von den üblichen Theater- und Opernvorführungen dadurch ab, dass man hier auf eine starke Frau trifft und ist somit unsere Wahl Nummer eins bei den starken Theatervorführungen. Sie leidet nicht, sie jammert nicht, sie kämpft. Ihr Mann Tomas hat weniger Einfluss in der Öffentlichkeit, unterstützt jedoch seine Frau im Haushalt und beim Großziehen der Kinder. Ist es der Traum vieler Frauen, den Christine Eder so geschickt zum Ausdruck gebracht hat? Mit ein wenig Mut ist es jederfrau Leben.

Nur auf das Grillen im Schauspielhaus Graz könnte man verzichten. Schließlich ist ein Theaterbesuch ein besonderer Anlass und sollte nicht an den Würstelstand auf dem Hauptplatz erinnern. Wenn man zumindest eine zum Verkosten bekommen hätte…

VS

Fotos: Lupi Spuma
 


 

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