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Homosexualität beherrscht Erotik
04.11.2013
Mit acht Oscars gekrönt, ist die Verfilmung des Musicals „Cabaret“ im Jahr 1972 mit der entzückenden Liza Minnelli als Sally Bowles ein absolutes Must-see. Sein Vorgänger, das Musical, dem unter anderem die Verfilmung zum Welterfolg verhalf, basiert auf den autobiographischen Erzählungen vom britisch-amerikanischen Autor Christopher Isherwood „Mr. Norris steigt um“ und „Leb wohl Berlin“ sowie dem erfolgreichen Broadwaystück „I am a Camera“ von John van Druten. Die Songs aus dem Musical, die mehrmals von allen Weltinterpreten gesungen wurden, machen dessen Berühmtheit alle Ehre. „Cabaret“, „Two ladies“, „If you could see her through my eyes“, „Heirat“ und „Tomorrow belongs to me“ sind die Originaltitel, geschrieben von Fred Ebb unter musikalischer Leitung von John Kander. “Maybe this time”, “Mein Herr” und “Money, Money” gehören erst seit der Verfilmung 1972 durch ihre steigende Bekanntheit und Beliebtheit zum Repertoire. 

1929, Berlin, Silvester. Die Weimarer Republik zählt die letzten Tage ihrer Herrschaft, die Nazis sind im Anmarsch. Auf der Suche nach Inspirationen für seinen Roman landet der arme Schriftsteller Cliff Bradshaw in Berlin in der Pension von Fräulein Schneider. Im exklusiven Kit Kat Klub verliebt er sich in die exzentrische Engländerin Sally Bowles, den Publikumsliebling. Auf der Suche nach einem neuen „Glück“ zieht Sally uneingeladen bei Cliff ein. Doch bald wird die poetische Stimmung durch das Vorgehen der Nationalsozialisten gegen einen jüdischen Obsthändler, Herrn Schultz, der Fräulein Schneider einen Antrag machte, zerstört. Cliff plant seine Rückkehr nach Amerika. Zurück bleibt jedoch Sally, die eine Musicalkarriere anstrebt. 
 
Bei der Premiere von „Cabaret“ im Grazer Schauspielhaus fehlten die Zuschauer (knapp halbvoller Saal), die nach den Vorgaben des Regisseurs Ingo Berk als Publikum des Kit Kat Klubs an dem Stück teilnehmen sollten. Die Stimmung war unter anderem auch durch die zuckenden Bewegungen zur Musik und zu den Liedertexten verschlagen. An Stelle der erotischen Stimmung überlief die Homosexualität den szenischen Kochtopf. Der Conférencier mit Kniestrümpfen und Strings unter einem Pelzmantel und mit zwei Männern mit Rock und körperbetonten Oberteilen zum Lied „two ladies“ waren einfach fehl am Platz. Selbst Sally Bowles ist einmal ein „braves“ Matrosenmädchen, einmal ein Hippie-Zombie,  neben dem Buberl Cliff Bradshaw wiederum ein braves, unsicheres Mädchen. Sowohl ihre Kleidung als auch ihr Auftreten (wenn man das wiederholte Hochziehen des Rockes wegstreicht) deuteten mehr auf Kindlichkeit als auf auf Erotik eines Kit-Kat-Vamps. 
 
Umso berührender ist die Beziehung zwischen Fräulein Schneider und dem jüdischstämmigen Obsthändler Herrn Schultz dargestellt, geprägt von der talentierten Ausführung von Steffi Krautz und Franz Solar. Als eine alleinstehende Frau pflegt Fräulein Schneider ihr Image, das sie zum Vermieten der Wohnungen, das ihr Brot ist, benötigt, und muss daher eine Heirat wegen der nationalsozialistischen Ideologie absagen. Sie ist bodenständig. Entzückend und humorvoll ist das Lied über die Ananas, die ihr anstelle des teuren Schmuckes Herr Schulz schenkt.  
 
Hendrik Haidenthaler, der am Ende des ersten Teils a capella das Lied „Der morgige Tag ist mein“ singt wird vom Publikum für seinen Mut und Talent beklatscht, auch wenn seine Darstellung und Zugehörigkeit zum Stück unverstanden bleiben. 
 
Offenbar wollte Ingo Berk mit seiner Neuinszenierung dem erfolgreichen Musical ein neues Leben geben. Dabei zeigte er nur, wie man mit großem Aufwand  und Talenten wie Pia Luise Händler,  Christoph Rothenbuchner, Steffi Krautz und Franz Solar ein Potpourri machen kann. Too much of a good thing (Zu viel des Guten). 
 
Umso faszinierender ist die Umwandlung der kleinen Bühne des Grazer Schauspielhauses von Damian Hitz. Das Orchester ließ er aus der Mitte der Bühne auftauchen, mit ihm schwenkte der Conférencier zwischen den Geschehnissen in Berlin und denen im Kit-Kat-Klub. Faszinierend war auch das Orchester unter der Leitung von Patrik Zeller.
 
  
Fotos: Lupi Spuma

die-frau.at